Berufswahl als Persönlichkeitsbildung


Mit der Wahl des Berufs treffen Jugendliche zum ersten Mal eine wichtige Entscheidung selbst. Unterstützung erhalten sie von den Eltern, der Berufsberatung, besonders aber auch von der Schule. Das Pfarreiblatt hat mit der Surseer Sekundarschullehrerin Barbara Iten über diesen vielseitigen Prozess gesprochen.


Die Berufswahl ist auf der Oberstufe ein zentrales Thema. Wie unterstützt die Sekundarschule Sursee die Jugendlichen bei diesem Prozess?

Die Begleitung bei der Berufsorientierung beginnt bereits auf der ersten Sekstufe. Wir beschäftigen uns zuerst mit grundsätzlichen Fragen: Was mache ich gerne? Was kann ich gut? Dabei versuchen wir, gemeinsam mit den Jugendlichen deren Stärken und Talente herauszufinden. Dabei hilft uns, unter anderem, auch das Lehrmittel «Berufswahltagebuch». Nicht nur schulische, sondern auch Fähigkeiten aus der Freizeit werden betrachtet. Diese Auseinandersetzung, welche auch Einschätzungen der Lehrperson und Eltern miteinbindet, hilft – gerade, wenn Schüler an sich selbst zweifeln.

Weiter geht es dann mit dem Besuch der Berufsbildungsmesse in Luzern sowie der Schnupperwoche. Ebenso werden die Jugendlichen mit Berufswahltagen auf die Lehrstellensuche vorbereitet: Wie schreibe ich eine Bewerbung? Auf was muss ich beim Gespräch mit dem potenziellen Arbeitgeber achten? Die Jugendlichen sind da froh um konkrete Unterstützung. Allgemein achten wir darauf, dass wir immer im Austausch mit den Schülern bleiben.


Die Verantwortung, dass der Übergang von der Schule in die Berufswelt gelingt, liegt nicht nur bei der Schule, sondern auch bei den Eltern und bei der Berufsberatung. Wie gelingt diese Zusammenarbeit Ihrer Einschätzung nach?

Grundsätzlich funktioniert diese Zusammenarbeit gut. Den meisten Eltern ist bewusst, dass sie die Hauptverantwortung für den Berufswahlprozess ihres Kindes tragen. Wir von der Schule können die Grundsteine legen und praktisches Wissen rund um Berufswahl und Bewerbungsprozesse vermitteln, – etwas daraus machen müssen aber die Eltern und Schüler. Es ist wichtig, dass alle ihren Teil zu einer guten Anschlusslösung beisteuern. Wenn wir Lehrpersonen merken, dass gewisse Schüler im Rückstand sind, suchen wir mit allen Beteiligten das Gespräch. Einige Eltern holen auch bewusst Rat von der Schule. Wir können Informationen geben und Kontakte zu Beratungsstellen vermitteln.


Was bereitet Ihrer Meinung nach den Jugendlichen beim Berufswahl- und Bewerbungsprozess am meisten Mühe?

Ein schwieriger Punkt ist sicher die Frage: Wie fällt meine Bewerbung auf bei der Vielzahl an Zuschriften, welche die Betriebe erreichen? Die Jugendlichen hören immer wieder, dass originelle, herausragende Bewerbungen erwünscht sind, aber sie sind unsicher, wie eine solche gelingt. Wir helfen ihnen dabei, eine formal korrekte, aber dennoch individuelle und authentische Bewerbung zu schreiben, zu vertonen oder zu filmen.

Ein weiterer Punkt ist das Durchhaltevermögen. Das Thema Berufswahl begleitet die Jugendlichen ständig; abgeschlossen ist es erst, wenn sie den unterschriebenen Lehrvertrag in den Händen halten. Immer dranzubleiben, fordert auch Disziplin und es kann bei den Schülern Druck entstehen. Mit diesem positiv umzugehen ist auch eine unserer vielfältigen Aufgaben. Man merkt, es ist ein präsentes Thema unter den Schülern, sie sprechen auch in der Pause oft darüber, leiden mit oder freuen sich über Erfolge anderer.


Berufe kennenlernen, ausprobieren, vergleichen und bewerben – macht das den Jugendlichen auch Freude?

Ich habe die Jugendlichen meiner Klasse in ihrem Schnupperbetrieb besucht, wobei es einige interessante Augenblicke gab. Ich sah, wie sich die Schüler engagierten, sich Mühe gaben und in der Praxis ihre Fähigkeiten und Stärken sehr gut zum Vorschein kamen. Man spürte: Sie behaupten sich gerne in der Welt. Für mich war es eine grosse Bereicherung, meine Schüler sich im Alltag entfalten zu sehen.

Nun ist es meine Aufgabe als Lehrperson, diese positive Dynamik für die verbleibende Schulzeit mitzunehmen und diese aktiv und lehrreich zu gestalten. Sie sollen die Freiheit haben, sich individuell in ihre Interessen vertiefen und ihre Fähigkeiten einbringen zu können.


Welche Lernprozesse beobachten Sie als Klassenlehrperson bei den Jugendlichen auf persönlicher Ebene?

Sie kommen als Kinder in die Oberstufe und werden zu Jugendlichen. Sie verändern sich stark – nicht nur auf körperlicher, auch auf persönlicher Ebene. Sie entwickeln sich zu eigenständigen Personen, die ihre eigenen Vorstellungen haben, Ziele verfolgen, sich abheben wollen von der Erwachsenen und auch andere Meinungen kritisch hinterfragen. Gleichzeitig führen viele eine differenzierte Auseinandersetzung mit sich selbst, können sich reflektieren. Man kann gut und auf Augenhöhe mit ihnen diskutieren, das gefällt mir.

Und trotz dieses Reifprozesses wollen sie auch mal noch Kind sein. Chillen – wie sie es nennen – nichts machen, Zeit mit Freunden verbringen, keine schwierigen Debatten führen. Das hat auch seine Berechtigung: Wir fordern sie, dürfen ihnen aber auch Raum für solche Bedürfnisse geben. Die Balance ist wichtig.

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