Kirchen und ihre Bedeutung

1968 bis 1973 bauten die Baldegger Schwestern ein topmodernes Gebäude mit dem Stararchitekten Marcel Breuer. Heute werden Kirchen immer mehr zu einer Aufgabe der Denkmalpflege. Warum ist das so? Sind Kirchen und «z’Chile goh» ein soziologisches Auslaufmodell geworden? Ein Ortstermin für architektonische und andere Überlegungen.

Das Ende der modernen Epoche ist in der Architektur gewiss. Sie ist abgelöst worden durch den Brutalismus, die Postmoderne und die wiederum sind in eine heterogene Phase übergetreten. Und die Kirche? Es scheint, dass sie, als Institution nie eine Moderne als «Erschütterung der Tradition» gesehen hat. Dies obwohl es Strömungen und Einzel-Engagements durchaus gegeben hat, die eine Moderne gesucht haben. Zumindest formal ist die Kirche an einen Punkt gelangt, an dem sie sich nicht mehr mit der ästhetischen Entwicklung in der Gesellschaft entwickelt. Ihre Exponenten reorientieren sich an tradierten Formensprachen, deren jüngste aus der Zeit der 60er- oder 70er-Jahre stammen. Es erfolgt eine stilistische Segregation innerhalb der Gesellschaft.


Kirche von geistigen Entwicklungen abgehängt?

Es könnte vermutet werden, dass sich ebenso inhaltliche Segregationen abzeichnen. Dass geistesgeschichtliche Entwicklungen von ihren Gliedern nicht nachgefragt, nicht verstanden oder rundweg aufgrund von geistesgeschichtlichen Traditionen abgelehnt werden. Dass soziologische Entwicklungen aus Traditionsgründen abgelehnt werden (dass etwa an der Maxime der physisch präsenten Gemeinschaft gegenüber der Comunity festgehalten wird) und dadurch der Kreis der potentiell Angesprochenen kleiner gemacht wird. Dass politisch agiert wird – zur Zeit noch nach den traditionellen Polen von links und rechts, aber zunehmend auch von (Sub)Kulturen – droht einer weitern Segregation zu entsprechen. Daraus liesse sich die Frage ableiten, ob die Kirche sich formal, geistesgeschichtlich, soziologisch und auch politisch neu zu verstehen hätte, wollte sie wieder eine universelle Institution werden mit offenen Synapsen in dynamischer Veränderung gegenüber der Gesellschaft und den Individuen. Die Kirche, das darf vermutet werden, steht am Punkt, an dem sie sich von einer innerhalb einer «westlichen» Gesellschaft universalen Institution zu einer segregierten Sekte bewegt. Und dies aus zweierlei Gründen: Einerseits hängt sie sich selber ideologisch und intellektuell von geistigen Entwicklungen ab. Und andererseits differenziert sich die Gesellschaft selber innerhalb verschiedenster Segregationen, womit die Kirche, auch ohne selber sich aktiv zu entwickeln, in eine gesellschaftliche und kulturelle Nische gelangt.


Andere Zugänge gestatten

Wenn wir uns – aus einer (traditionellen) Andacht kommend – dessen bewusst werden, dürfen wir uns fragen, ob wir damit nicht gerade aus einem Anlass kommen, der einem trennenden Gesellschaftskompartiment verständlich und zugänglich ist und dem Grossteil der übrigen Gesellschaft nicht. Wenn wir diese Form nun als gesetzte Form verteidigen, verteidigen wir gleichzeitig die Grenzen dieses segregierten Gesellschaftskompartiments. Und verlieren Universalität. Wenn wir diese Form als wertvolle Form schätzen und anbieten, dann befinden wir uns immer noch in der Segregation derer, denen diese Form zugänglich und verständlich ist. Wir brauchen sie nicht zu negieren oder über Bord zu werfen, auch wenn es andere Formen der Auseinandersetzung mit gibt. Aber wir bieten an – und gestatten damit auch andere Zugänge. Gleiches könnte man in der geistesgeschichtlichen Haltung, in der politischen Ausrichtung, oder in der Ideologie der Gemeinschaft (welche Form von Gemeinschaft «christlich» sei) oder auch der ästhetischen Rezeption oder Stilistik oder allgemein der Kulturalität der Kirche zur Gesellschaft formulieren: Segregation gegen Universalität; oder Katholizität.


Ausflug nach Baldegg

12. November, 13.00 Uhr, Treffpunkt: Bahnhof Sursee
Rückkehr ca. 18.00 Uhr

Leitung: Matthias Kissling
Reise Zug: Fr. 15.80 (1/2-Preis)
Anmeldung erwünscht bis 9.11.22 an: sekretariat@pfarrei-sursee.ch



Fotonachweis: Architekt: Breuer Marcel; Fotograf; Jonathan Ritler, 2017; Hochschule Luzern – Technik & Architektur