Demenz betrifft auch Angehörige

Demenz betrifft nicht nur die Kranken, sondern auch die Menschen aus ihrem Umfeld. Über die Krankheit sowie die Gesprächsgruppen für Angehörige und Bezugspersonen geben Rita Hedinger und Karin Meier Auskunft.


Was ist eigentlich Demenz?

Karin Meier: Demenz ist eigentlich kein Krankheitsbild. Es ist ein Überbegriff für verschiedene Erkrankungen, die das Hirn betreffen. Diese neurologischen Störungen führen zum Beispiel zu Orientierungsstörungen, Erinnerungsstörungen und eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten. Die häufigste Form ist Alzheimer.


Was bedeuten diese Veränderungen des Gehirns ganz konkret?

Rita Hediger: Es ist, als ob die Menschen den Faden verlieren. Sie können Aufgaben nicht mehr planen und durchführen. Im Alltag zeigt sich das zum Beispiel bei der Essensplanung: In den Kühlschrank schauen, zu überlegen, was muss ich dafür noch einkaufen, in den Laden gehen, das richtig einkaufen und dann kochen, das funktioniert oft nicht mehr. Irgendwo geht den Menschen der Faden verloren und sie wissen nicht mehr weiter. Bis zu einem gewissen Grad der Erkrankung können sich die Menschen noch mit Notizen behelfen. Doch wenn dann zum Beispiel die zeitliche Orientierung verloren geht, helfen auch Notizen nicht mehr.

Karin Meier: Meist ist es ein langsamer Verlauf und eine Diagnose findet erst nach drei bis vier Jahren statt. Davor sind es kleinere Sachen, die man kaschieren oder verstecken kann. In einer Demenz gibt es drei Phasen. In der ersten merkt man die Veränderungen nicht gross und die Menschen sind sehr selbstständig, in der Zweiten brauchen sie vermehrt Unterstützung bei kleinen Dingen, die ihnen den roten Faden durch den Tag geben. In der dritten Phase brauchen sie zum Beispiel auch Hilfe beim Anziehen, der Körperpflege und allen anderen Tätigkeiten.


Demenz stellt ja auch viele Herausforderungen an Angehörige.

Rita Hediger: Dass sie das Gegenüber verlieren, ist für viele sehr schwer. Irgendwann können die Kranken kein Gespräch mehr führen. Die Demenzbetroffenen können irgendwann den Faden eines Gesprächs nicht mehr behalten. Mitten im Satz kann ihnen dieser verloren gehen. Bevor die Diagnose da ist, kommt es meist zu vielen Streitigkeiten. In der Angehörigengruppe erzählen die Angehörigen, dass sie häufig Gegenstände suchen und der Kranke ist nie schuld. Das ist wie ein Selbstschutz. Es bringt dann auch nichts, mit dem Kranken zu diskutieren. Ausserdem muss man als Angehörige oder Angehöriger lernen, wie man mit den Betroffenen umgehen kann. Sie brauchen zum Beispiel Hilfe bei der Kleider- oder Schuhwahl und wollen sich nichts sagen lassen. Da müssen die Angehörigen herausfinden, auf welchen Weg kann ich dem Betroffenen helfen.

Karin Meier: Wenn die Krankheit voranschreitet, dann muss man stets präsent sein. Das ist unglaublich anstrengend. Eine Betroffene hat mir erzählt: «Es steht immer jemand neben mir, der Sicherheit braucht. Ich bin nie allein. Ich kann kaum allein aufs WC.»

Rita Hediger: Es nehmen auch die sozialen Kontakte ab, das ist auch sehr schwer für die Angehörigen.


Was hilft Angehörigen in der Situation?

Karin Meier: Es ist wichtig, dass sich die Angehörigen auch Zeit für sich schaffen. Dafür braucht es oft Hilfe von aussen für die Entlastung. Gesprächsgruppen sind auch sehr wertvoll: Sich mit Gleichgesinnten treffen, um sich auszutauschen oder Tipps zu holen. Man kann fragen und hören, wie meistern andere die Situation. Und einfach zu spüren: Ich bin nicht allein, das ist extrem wertvoll.

Rita Hediger: Das habe ich bei Menschen, die frisch in die Gruppe kommen, immer wieder erlebt. Die Gruppe bietet die Möglichkeit, Gedanken zu formulieren, die man sonst nicht sagen würde. Das ist unglaublich erleichternd.

Karin Meier: Das klingt jetzt sehr negativ. Man darf nicht übersehen, dass es auch positive und schöne Momente mit dem Kranken gibt.

Rita Hediger: Wichtig ist, dass man mit den Menschen, die einem im Alltag begegnen, darüber redet. Wenn es die Nachbarn, der Bäcker, der Briefträger … wissen, dann können die Menschen ganz anders damit umgehen. Die Menschen haben mehr Verständnis.


Worin liegt der Gewinn von Gesprächsgruppen für Angehörige?

Rita Hediger: Es gibt Informationen rund um das Thema Medikamente, das Wissen zur Krankheit kann erweitert werden. Doch absolute Priorität haben die Angehörigen mit ihren Fragen und Themen. Miteinander in Austausch zu kommen über die eigenen Themen lässt viel Besucher und Besucherinnen Kraft schöpfen für ihren Alltag.


Gesprächsgruppe

In der Regel trifft sich die Gesprächsgruppe einmal monatlich am zweiten Donnerstag von 14.00 bis 16.00 Uhr im Kloster Sursee (Damian-Stube), Geuenseestrasse 2A, Sursee. Der nächste Termin ist der 12. Januar 2023.
Anmeldung: Tel. 041 500 46 86 oder E-Mail

Rita Hediger, Pflegefachrau HF, leitete bis Ende 2022 die Gesprächsgruppe im Kloster Sursee. Ab Januar wird Karin Meier, Pflegefachfrau HF, diese übernehmen.